• Wie digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) optimal eingesetzt werden können

Berlin (Deutschland), 25. November 2022 – Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können Ärzt:innen im Versorgungsalltag entlasten und Patient:innen aktiv in die Behandlung einbeziehen. Gerade für Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen, wie z.B. Depression, können internetbasierte Interventionen eine wichtige Komponente einer multimodalen, leitliniengerechten Therapie darstellen. Doch wie steht es um die Evidenz? Was müssen die Ärzt:innen bzw. Psychotherapeut:innen bei der Verordnung von DiGA beachten? Wie können internetbasierte Interventionen in die normale Praxisroutine integriert werden? Werden DiGA von den betroffenen Patient:innen adäquat genutzt? Was zeichnet das dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis aufgenommene Online-Therapieprogramm deprexis® aus? – Antworten auf diese Fragen boten ausgewiesene Experten auf einem Symposium im Rahmen des diesjährigen DGPPN-Kongresses. In Anbetracht der hohen Prävalenz von Depressionen und den bestehenden Versorgungslücken im Bereich der Psychotherapie, plädierten sie übereinstimmend für die Einbindung von deprexis® in die Behandlung von Menschen mit einer Depression.

Potenzial internetbasierter Interventionen noch lange nicht ausgeschöpft

Die Digitalisierung der Medizin geht nur zögerlich voran. Der Aufholungsbedarf deutscher Kliniken sei immens, so Prof. Dr. Dieter Braus, Eltville. „Ohne IT gibt es keinen Erfolg mehr.“ Vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit gebe es weiterhin Versorgungsprobleme. Ein sinnvoller Lösungsansatz sei das e-Health-Konzept. DiGA mit nachgewiesener Wirksamkeit bieten Ärzt:innen neue Perspektiven für eine individualisierte, bedürfnisorientierte, multimodale Behandlung von Menschen mit einer Depression, die sogar noch über eine Verkürzung der teilweise monatelangen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz hinausgehen. Das Potenzial dieser innovativen Therapieform wird bisher aber noch nicht ausgeschöpft. Wie sich in einer Erhebung der Techniker Krankenkasse herausstellte, erhalten in Deutschland nur 0,0023% der depressiven Patient:innen eine DiGA [1].

Dass in Deutschland ein Schub in der digitalen Versorgung von Patient:innen mit psychischen Störungen notwendig ist, sei im Praxisalltag noch nicht angekommen, bemängelte Prof. Dr. Christine Knaevelsrud, Berlin. „Mit unseren konventionellen therapeutischen Interventionen erreichen wir zum jetzigen Zeitpunkt lediglich ca. 20% der Patient:innen. Mit anderen Worten: 80% der psychisch kranken Menschen erhalten keine therapeutische Unterstützung.“ Die Nutzung von DiGA, entweder eingebunden in ein Gesamtbehandlungskonzept oder aber auch zur Überbrückung von Wartezeiten – könnten neue Perspektiven eröffnen, auch für Patient:innen, die einer konventionellen Psychotherapie eher skeptisch gegenüberstehen.

Digitale Therapieprogramme haben den Vorteil, ohne Wartezeiten und Stigma-Empfinden zeitlich und örtlich flexibel genutzt werden zu können und obendrein noch kostengünstig zu sein. Nach den Erfahrungen von Knaevelsrud fragen nur die wenigsten Patient:innen von sich aus nach einem digitalen Therapieangebot. Deshalb sei es ratsam, die Betroffenen aktiv auf diese additive Therapieoption anzusprechen und ihnen zu verdeutlichen, wie sie von einer wirksamen „App auf Rezept“ profitieren können. Außerdem empfiehlt die Expertin, andere Kolleg:innen mit ins Boot zu holen und sie davon zu überzeugen, dass DiGA vielen Patient:innen einen ersten Zugang zu einer adäquaten Versorgung verschaffen können. Der Einsatz in Blended Care sei eine große Chance für die Implementierung. Das therapeutische Potenzial digitaler Anwendungen zur Behandlung von Depressionen wird auch von der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie (NVL) „Unipolare Depression“ hervorgehoben [2]: Zum ersten Mal empfiehlt die Leitlinie den Einsatz internet- und mobilbasierter Interventionen als eine Alternative zur konventionellen Psychotherapie und damit als eine wesentliche Säule neben der Psychopharmakotherapie [2].

deprexis®: nachgewiesener medizinischer Nutzen bei Depression

Zu den am besten untersuchten DiGA überhaupt gehört das Online-Therapieprogramm deprexis® (https://de.deprexis.com/) zur Therapieunterstützung bei Depression, berichtete Prof. Dr. Michael Landgrebe, Hausham. Eine Metaanalyse aus zwölf randomisierten Studien mit insgesamt 2900 Teilnehmenden bestätigte signifikante und klinisch relevante Verbesserungen der depressiven Symptome – unabhängig davon, ob die Patient:innen das interaktive Therapieprogramm eigenständig oder mit ärztlicher Begleitung (Blended Care) nutzten [3]. Aufgrund der nachgewiesenen Evidenz wurde deprexis® dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis (https://diga.bfarm.de/de) aufgenommen. Es ist für alle Schweregrade der Depression zugelassen und erfüllt sowohl die Anforderungen deutscher Datenschutzgesetze als auch die von der DGPPN definierten Qualitätskriterien für wirksame und sichere Online-Interventionen [4].

Laut Prof. Dr. Kai G. Kahl, Hannover, ist Online-Psychotherapie auch eine hilfreiche Option für Patient:innen mit körperlichen Erkrankungen und komorbider Depression. Körperlich Kranke mit Depressionen sind in ihrer Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigt und haben ein erhöhtes Hospitalisierungs- und Mortalitätsrisiko [5,6]. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Antidepressiva seien bei somatischen Grunderkrankungen oftmals begrenzt, gab der Experte zu bedenken. deprexis® könne auch hier eine bedeutsame Versorgungslücke schließen. In zwei randomisierten kontrollierten Studien bei Patient:innen mit komorbider Depression bei Epilepsie und Multipler Sklerose führte die Nutzung des webbasierten Therapieprogramms zu einer signifikanten Verbesserung der depressiven Symptomatik [7,8].

Einfache, intuitive Anwendung

deprexis® basiert überwiegend auf den anerkannten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Es passt sich individualisiert auf die Bedürfnisse und Reaktionen der Patient:innen an und leitet sie in einem virtuellen Dialog dynamisch durch die 10 verschiedenen Module. Neben Informationen zur Depression werden alltagsrelevante Übungen zur Depressionsbewältigung vermittelt. Das passwortgeschützte Online-Therapieprogramm ist überall und jederzeit auf allen Endgeräten (PC, Laptop, Tablet und Smartphone) nutzbar und steht in neun Sprachen zur Verfügung. Niedergelassene Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen können deprexis® nach Diagnosestellung einer Depression zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen rezeptieren (PZN 17265872). Nachdem die Patientin oder der Patient das Rezept bei ihrer/seiner Krankenkasse eingereicht hat, erhält sie/er einen Freischaltcode. Mit diesem Code kann sie/er die App aktivieren und sofort mit der Anwendung beginnen. Auch im Rahmen des Entlassmanagements in der Klinik kann deprexis® verschrieben werden.

Quelle: Satellitensymposium „Digital Mental Health: Aktueller Stand und der weite Weg in die Versorgung“ im Rahmen des DGPPN-Kongresses, Berlin, 25. November 2022

  1. Techniker Krankenkasse, DiGA-Report 2022, abrufbar unter: https://www.tk.de/resource/blob/2125136/dd3d3dbafcfaef0984dcf8576b1d7713/tk-diga-report-2022-data.pdf (letzter Zugriff: 06.12.2022)
  2. S3-Leitlinie/NVL Unipolare Depression 2022; https://www.leitlinien.de/themen/depression/version-3 (letzter Zugriff: 06.12.2022)
  3. Twomey C et al. 2020; PLoS One 2020; 15: e0228100
  4. Klein JP et al. Nervenarzt 2018; 89:1277-1286
  5. Westhoff-Bleck M et al. J Affect Disord 2016 Nov 1;204:180-6
  6. Westhoff-Bleck M et al. J Clin Med 2021; 10: 1554
  7. Schröder J et al. Epilepsia 2014; 55: 2069-2076
  8. Fischer et al. JAMA Psychiatry 2015; 2: 217-223